08.06.11

Lokalhelden - Jörg Harlan Rohleder



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Meine Geschichte beginnt, wie so viele andere Geschichten auch, an einem Samstagabend. Ich bin nicht mehr ganz nüchtern, aber so kann ich wenigstens erzählen, ohne mich allzu sehr zu schämen. Neben mir stehen Enni, der wie immer an seiner Magnum zieht, Brownsen der Gockel, und natürlich mein Freund Wolle. Mit dabei sind auch die ganzen anderen Spacken, der Schädler und der Schelm, der gerade aus dem Knast entlassen wurde. Wo die Millionen geblieben ist, die er mit der Dealerei verdient haben soll, und was mit Natja und Anna lief, davon wird hier auch die Rede sein. Und wer ich bin? Ich bin ein fabelhafter Lügner, Anstifter und Mitläufer, der Schmall halt, der kleinste gemeinsame Nenner all dieser mehr oder minder bemitleidenswerten Figuren. Auch nur ein Kind der dämlichen Neunziger Jahre.
ZUM AUTOR:
Jörg Harlan Rohleder wurde 1976 geboren und hat Politikwissenschaften und Zeitgeschichte studiert, unter anderem in London. Er arbeitete für Vanity Fair und MTV und ist nun Mitglied der Chefredaktion des Musikexpress.
EIGENE MEINUNG:
„Lokalhelden“ ist ein Buch für die Kinder der Neunziger, die diese voll ausgelebt haben. Die „Grunge“ verehrten oder der plötzlich völlig neu, und größer denn je zuvor aus dem Boden sprießenden Technokultur huldigten. Nicht nur für jene, die der Generation angehören, die „Mehr Chancen hat, als jemals eine Generation zuvor“, sondern auch für Leser, die sich mal wieder an ihre Jugendzeit erinnern möchten. Aber auch für solche, die gern kritisch mit Klischees und Trends umgehen.
Jörg Harlan Rohleder ist es gelungen ein Buch zu schreiben, das gleichzeitig eine Hommage an die 90er ist, aber auch eine sarkastisch – ironisch betrachtete Sichtweise aufführt.
Ich habe mich als Leser sehr in meine Jugend zurückversetzt gefühlt, die zwar chronistisch etwas später auf dem eigentlichen Höhepunkt war als die der Protagonistin, die dennoch in den Ausläufern dieser Zeit vonstatten ging. Mit einer gekonnten Mischung aus Ironie, Kritik und Melancholie beschreibt er das Leben von Schmall und seinen Freunden, die auf dem Weg zum Abitur sind und all das durchmachen, was Jugendliche in dem Alter so durch machen und erleben möchten. Vom ersten Mal richtig betrunken sein, über den ersten Sex bis hin zur Frage: „Was soll eigentlich aus mir werden?“ findet alles seinen Platz in diesem Roman, der sich leicht und locker lesen lässt und dem Leser Vergnügen bereitet.
Dabei treibt er manches auf die Spitze, um deutlich darzustellen, wie verblendet doch oft die Sichtweise ist, wenn man 16 ist und glaubt, man wäre der König der Welt. Vor allem, ohne etwas dafür tun zu müssen. Mit einer ordentlichen Portion untergründigem Sarkasmus drückt er uns auf das, was in den 90ern Gang und Gäbe war und einfach zum Lebensstil dazugehörte. Es wird viel philosophiert und nachgedacht, wozu sicher auch der Tod von Kurt Cobain beigetragen hat.
Jugendliche hatten noch echte Idole. Idole, denen man nacheiferte. Man wollte genau so sein und nicht anders. Nichts konnte am Status dieser Menschen kratzen. Auch nicht die Tatsache, dass sie meist gekifft und gesoffen haben und manche nur Musik oder Sport gemacht haben, weil sie auf was anderes keinen Bock hatten. Ausbildung und Arbeit waren irgendwie uncool. Party, Saufen, Musik war in. Dazu jede Menge Joints und Zigaretten. Ich muss sagen, ich war etwas geschockt, über den lockeren Umgang der Protagonisten mit dem Konsum von Drogen. Im Nachhinein denke ich aber, dass der Autor den Leser jedoch darauf stoßen möchte, dass es eine gefährliche Sache ist Drogen zu nehmen, dass die Konsumenten oft „klein“ anfangen, dann nicht mehr davon abkommen und in einen Teufelskreis geraten, der im schlimmsten Fall mit dem Tod enden kann.
Ansonsten sind die Charaktere so realistisch kreiert, dass ich mich in der Clique gefühlt habe, wie Samstagsabends bei uns in der Dorfdisko. Vom Streber, über den Schüchternen, bis hin zu demjenigen, der kein Fettnäpfchen auslässt, ist alles dabei. Und oft ist ja derjenige, dem man es am wenigsten zugetraut hätte, auch derjenige, der uns am meisten überrascht...
Ein besonderes Schmankerl des Buches ist die „Backgroundmusik“. Sofort wird deutlich: Der Autor kennt sich mit Musik aus. Musikalisch fühle ich mich im Buch absolut genial zurückversetzt in eine Zeit in der Rockmusik noch laut war und man Menschen aufgrund ihres Aussehens verschiedenen Musikrichtungen zuordnen konnte. Zu jedem Anlass, jeder Party, jeder Stimmung werden die Protagonisten vom passenden Song begleitet.
Ob die 90er nun wirklich genau so waren, wie im Buch beschrieben, das sei mal so dahingestellt. Aber schließlich hat der Autor ja Anspruch auf künstlerische Freiheit. Das Problem der Identitätsfindung und der Berufswahl bei Jugendlichen ist sicher nicht nur eine Sache dieses Zeitalters.
FAZIT:
Ein gelungener Debütroman eines jungen Autors, der mit viel Sarkasmus, Humor, Helden und Anti-Helden begeistert. Leseempfehlung für alle, die ein bisschen in Erinnerungen an ihre Jugend schwelgen möchten und für Jugendliche, die wissen wollen, wie man es besser nicht macht und das es immer eine Chance gibt, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Kuh 4(3)
  • Broschiert: 285 Seiten
  • Verlag: Piper; Auflage: 2 (Dezember 2010)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 9783492053846
  • ISBN-13: 978-3492053846
  • 16,95 €
Meinen herzlichen Dank an den PIPER Verlag für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares.

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