04.02.13

Der Seidenfächer - Lisa See



KLAPPENTEXT:
243_36757_127367_xxlChina im 19. Jahrhundert: Lilie und Schneerose wachsen in einer Welt auf, in der Mädchen als Last gelten und in der mit dem Binden der Füße auch ihr Herz gefesselt werden soll. Mit siebzehn Jahren werden beide verheiratet. Dank der Geheimschrift Nushu, die nur Frauen vorbehalten ist, gelingt es den Freundinnen, in Kontakt zu bleiben. Zu besonderen Anlässen schreiben sich die beiden Mädchen sogar Gedichte in Nushu auf einen Seidenfächer, der immer zwischen ihnen hin und her wandert. Doch die Sehnsucht nach Liebe, Glück und Freiheit kann ihnen niemand nehmen ...

AUTORIN: 
(Quelle: Blanvalet)
Lisa See, geboren in Paris, aufgewachsen in Los Angeles in Chinatown, entstammt einer chinesisch-amerikanischen Familie. Sie arbeitete dreizehn Jahre lang als Journalistin. Ihr erstes Buch »On Gold Mountain« (dt. »Auf dem Goldenen Berge«, 1997) war ein internationaler Bestseller und erhielt 1995 die »Notable Book«-Auszeichnung der New York Times. Als Kuratorin betreut sie mehrere große Ausstellungen, die sich mit interkulturellen Beziehungen zwischen Amerika und China beschäftigen. Im Jahr 2001 wurde sie von der Organisation Chinesisch-Amerikanischer Frauen als »National Woman of the Year« ausgezeichnet; im Herbst 2003 erhielt sie den »Chinese American Museum´s History Makers Award«. Vor vier Jahren hat sie mit ihrem Roman »Der Seidenfächer« einen Weltbestseller geschrieben. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen in Los Angeles.
EIGENE MEINUNG:
„Ich bin, was sie in unserem Dorf  `eine, die noch nicht gestorben ist´ nennen – eine Witwe von achtzig Jahren. Ohne meinen Mann gehen die Tage langsamer vorüber. An den besonderen Speisen, die Päonie und die anderen zubereiten, liegt mir nichts mehr. Auf die vielen glücklichen Ereignisse unter unserem Dach freue ich mich nicht mehr. Mich interessiert allein die Vergangenheit. Nach all dieser Zeit kann ich nun endlich all das aussprechen, was ich früher nicht sagen durfte – als ich noch abhängig von meiner eigenen Familie war oder mich darauf verlassen musste, dass mich die Familie meines Mannes ernährte. Ich habe ein ganzes Leben zu erzählen; zu verlieren habe ich nichts mehr, und es gibt nur noch wenige, die sich daran stoßen könnten.“
Dieser Abschnitt, der der erste im Buch ist und aus Lilies derzeitigem Leben stammt, ist bezeichnend für all das was ihr während ihres Lebens, aus dem sie in den weiteren Kapiteln des Romans erzählt, widerfährt. Es spiegelt die Hilflosigkeit der Frauen zur damaligen Zeit, ihre „Nutzung“ und ihre Abhängigkeit von ihrer Familie, der Familie in die sie verheiratet wird, von Schicksalen und Gottesgefügen.
Lilie ist noch ein Kind, gerade sechs Jahr alt, als zuerst ein Wahrsager und dann eine Heiratsvermittlerin ins Haus kommen, um über ihr weiteres Leben zu bestimmen. Sie soll wie alle jungen Mädchen in China die Füße gebunden bekommen, damit sie den damals herrschenden Schönheitsidealen entspricht und die Chance bekommt mit einem wohlhabenden und angesehenen Mann verheiratet zu werden. Obwohl eins von zehn Mädchen beim Prozess des „Füße bindens“, bei dem unter anderem  der Knochen gebrochen wird, stirbt, hält man an dieser Tradition fest. Auch Lilie lässt dies über sich ergehen und es passiert das, was man für sie vorhergesehen hatte: sie findet einen wohlhabenden Mann, gebiert ihm Söhne und steigt im Ansehen der Gesellschaft. Doch welchen Preis muss sie dafür zahlen? Schmerzen, Kummer und Ärger beherrschen ihren Alltag, doch zum Glück hat sie Schneerose, ein Mädchen, mit dem sie eine innige Freundschaft, die schon fast einem Liebesverhältnis gleicht, führt. Auf einem Seidenfächer schicken sie sich Briefe, Liebesbekundungen und Worte die ihnen helfen durch zu halten. Geschrieben in Nushu, der Schrift, die nur Frauen lesen können.
Lisa See schreibt sehr authentisch, aber auch sehr eindringlich, eine Geschichte, wie sie im China des 19. Jahrhunderts sicher Alltag war. Nicht immer hatten die Mädchen so viel Glück im Unglück wie Lilie. Sie hat trotz aller Qualen und der Tatsache, dass sie immer gehorchen muss und keinen wirklich eigenen Willen hat, wenigstens ausreichend essen und eine Freundin, die ihr immer den Rücken stärkt, doch dann stößt Lilie ausgerechnet diese Freundin vor den Kopf …
Es ist erschreckend und schockierend was im damaligen China Gang und Gäbe war und wo die Tradition hinführte. Zu Qual, Leid und Unterdrückung. Schon gleich zu Anfang erfährt man wie wenig ein Mädchen in der Familie bedeutet. Es ist ein weiteres Maul, das gestopft werden muss. Einzige Möglichkeit Anerkennung zu bekommen besteht darin einen Mann zu heiraten, der wohlhabend ist. Es hat mich regelrecht erschüttert wie kalt die eigene Mutter zur kleinen Lilie war und durch welche Qualen sie ihre Tochter hat gehen lassen. Qualen, die sie am eigenen Leib erfahren hat.
Die geschichtlichen Aspekte werden im Roman sehr gut dargestellt. Man lernt einiges über chinesische Tradition, Religion und das Leben dort in früheren Zeiten. Ich selbst habe China immer irgendwie mit etwas mystischem verbunden, doch das hat Lisa See mir genommen und für Klarheit gesorgt.
Zu Lilie und Schneerose bekommt man sehr leicht einen Zugang und trotz der kühlen Atmosphäre der Umgebung, in der die beiden aufwachsen, ist ihr inniges, warmes Verhältnis für den Leser deutlich spürbar. Die Schreibe der Autorin ist sehr schön, lässt sich jedoch nicht so ganz leicht lesen, da ihre Sätze so voller Erlebnisse stecken und doch sehr poetisch angehaucht sind.
FAZIT:

„Der Seidenfächer“ ist ein Roman über Freundschaft im China des 19. Jahrhunderts. Schockierend, fesselnd und bewegend erzählt Lisa See die Geschichte zweier Frauen, die wie viele Frauen ihrer Zeit, den Fesseln von Tradition und Unterdrückung ausgeliefert waren, und genau dort etwas sehr wertvolles gefunden haben. Interessant, spannend und bewegend.
BEWERTUNG:
Kuh 4(3)
BUCHINFO:
blanvalet (August 2007)
384 Seiten
9,99 €
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