26.09.14

Wo ein bisschen Zeit ist ... / Emil Ostrovski

Wo ein bisschen Zeit ist ...
 
"Wie Daedalus wünsche ich mir sehnlichst, dass mein Sohn fliegt. Und wie Daedalus habe ich Angst, er könnte abstürzen."
 
Der 18-jährige Jack ist entsetzt, als er feststellen muss, dass seine Freundin Jess nicht wegen Bauchschmerzen im Krankenhaus ist, sondern dort - quasi vor seinen Augen - ein Kind zur Welt bringt. Sein Kind. Ein Kind, das überraschend und ungeplant entstanden ist - okay, die Sache, bei der das Kind entstanden ist war schon gewollt, aber eben ohne dieses Ergebnis. Und deswegen beschließt Jess das Baby zur Adoption frei zu geben. Jack will es vorher aber einmal schnell auf dem Arm halten. Nur einmal, ganz kurz. Und ehe er sich versieht läuft er mit dem Säugling davon.
 
"Was bestimmt denn unsere Handlungen, wenn nicht der Mensch, der wir in dem Augenblick vor dieser Handlung sind - dem Augenblick, in dem wir entscheiden, was wir tun?"
 
Jack, der sich schon immer für Philosophie interessiert, nennt den Kleinen, von dem er immer noch nicht glauben kann, dass es ihn gibt, Sokrates. Wie seinen verstorbenen Bruder, dem die Eltern gar keinen Namen gegeben haben, da er eigentlich nur ein kleines, künstlich befruchtetes Ei war, dass es nicht geschafft hat, sich auf der Welt einzunisten. So kommt das Gleichgewicht aus oder auch doch wieder ins Lot. Einer dringend gewollt, schafft es nicht, der Andere ungewollt, ist da und dann doch nicht da wo er hingehört. Fragen, die Jack beschäftigen. Ebenso wie viele andere. Philosophische Gedankengänge, die er seinem Sohn mitteilen möchte, bevor er sich von ihm verabschieden und ihn in ein neues Leben entlassen muss.
 
 
" 'Tommy', flüstere ich. 'Wenn der Plan fehlschlägt und der Bär dich, mich und Jess frisst, meinst du, dass er Sokrates dann adoptiert un dihn als Junges großzieht?' "
 
"Wo ein bisschen Zeit ist..." hat mich vom ersten Satz an gefangen genommen. Die Schreibe des jungen Amerikaners mit russischem Migrationshintergrund Emil Ostrovski, der mit gerade mal 23 ein hochwertiges Debüt vorgelegt hat, ist so grandios, dass ich bedingungslos alles lesen würde, was er schreibt. Hier und da habe ich gelesen, dass der philosophische Anteil einigen Lesern zu umfassenden ist, ich hingegen fand es richtig toll. Gedankengänge, die einen jungen Menschen mitunter beschäftigen. Gedanken über selbstbestimmtest Handeln, die Zeit, aber auch über zwischenmenschliche Beziehungen und Gedankengänge. Sprachlich sehr gut umgesetzt. Knackig, spritzig, witzig.
 
 
" 'Ach Josik', sagt sie, als ich fertig bin. 'Deine Kindheitsfreunde behälst du für immer, egal, wie alt du wirst, oder wo du hingehst. Sie gehören zu dir.' " 
 
Ich bin geradezu durchs Buch geflogen, habe Jack gern begleitet, auch wenn ich manchmal die Luft anhalten musste aufgrund dessen, was der kleine Sokrates im Alter von nur wenigen Stunden alles erlebt hat. Er, Jess und sein Kumpel Tommy erleben in dieser kurzen Zeit einen unglaublichen Schritt in Richtung Erwachsen werden und erkennen, was im Leben wichtig ist. "Wo ein bisschen Zeit ist..." hat mich mehr als überzeugt und ist mit seiner sehr charmanten Mischung aus Witz und Ernsthaftigkeit, hochwertiger und doch altersangepasster Sprache, und einigen wirklich berührenden Momenten, direkt auf meiner persönlichen Liste der besonderen Bücher gewandert. Ich hoffe sehr bald mehr Romane des jungen Autors Emil Ostrovski lesen zu können.
 
 

Buchinfo:

 
Fischer FJB (2014)
304 Seiten
16,99 €
Übersetzer: Thomas Gunkel
 
 


5 Kommentare:

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