21.09.15

Wir Glücklichen / Amy Bloom



"Mein Vater war ein Becher der Etikette und der großen Ideen gewesen, Iris war eine Vase des Glamours und ich der kleine braune Krug der Sorge."

Die Mutter hat ihr versprochen, dass der Tod von Iris Mutter ein Glückstag für sie werden wird. Und irgendwie war es das für Eva auch, denn in ihrem ganzen Leben sollte sie nie mehr zu jemandem so sehr aufschauen, wie zu ihrer großen Schwester Iris, der schönen jungen Frau, die mit großer Sorgfalt und Energie versucht ihre Wünsche zu verwirklichen. Auch auf Kosten anderer.

Plötzlich statt mit einer Mutter, mit einem Vater zusammen zu leben, stellt für Eva keine große Herausforderung dar. Schnell hat sie sich an die neu gewonnene Selbstständigkeit gewöhnt. Ein Leben im Schatten der Schwester ohne eigene Ziele vor Augen, aber stärker, als alle anderen Familienmitglieder zusammen und schlau genug, ihren Posten innerhalb der Familie nicht aufzugeben, um so zumindest ihre emotionalen Bedürfnisse zu befriedigen.

"Jemand hat mal gesagt: Gott hat uns ein Gedächtnis gegeben, damit wir auch im Winter Rosen haben können. Dieser Jemand hat nicht gesagt: damit wir im Juni Schneestürme haben können, und Lebensmittelvergiftungen, obwohl es nichts zu essen gibt."

"Wir Glücklichen" beginnt im Jahr 1939. Ich glaube, Iris und Eva fühlen sich nicht direkt vom Zweiten Weltkrieg betroffen, bzw. ordnen ihn nicht unter ihren Angelegenheiten ein, sind aber genauso betroffen von Gräueltaten, Hungersnot und Ängsten, wie fast alle Menschen in dieser Zeit. Iris macht sich den Krieg sogar zu Nutze, um ihren innigsten Wunsch zu erfüllen.

Auch Evas Leben spielt der Krieg einen Streich. Verschwindet darin nicht nur der Mann, der sich stets als scheinbar einziger Mensch für sie als Person und nicht für ihre Fähigkeiten Arbeitsaufträge ohne Murren anzunehmen und alles zu tun, um zu gefallen, sondern auch jegliche Form seiner Kontaktaufnahme zu ihr. Wäre es anders gewesen, hätte ihr Leben vielleicht einen anderen Weg eingeschlagen. Aber wer weiß, ob es besser geworden wäre? Kein Mensch ist so zufrieden wir Eva.

"Das waren meine Leute: die Verlassenen, die Ungeliebten, die unfassbar Glücklosen."

Amy Bloom hat zwei sehr faszinierende weibliche Charaktere erschaffen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Die Schwestern Iris und Eva gehen eine Art Symbiose ein. Befriedigung der innersten Wünsche, evtl. hervorgerufen durch die Form des aufwachsens und den Bezug zum Vater, der ein windiger Hund zu sein scheint und doch in seiner Art eine gewisse Grundsicherung an Zuverlässigkeit und Versorgung bietet. Und dann gibt es da noch Freundschaften, die außergewöhnlich, aber intensiv sind. Freundschaften, die sicher kein anderes Mädchen in Evas Alter führt und die nicht nur sie, sondern auch den Leser glücklich machen.

"Frauen waren Dummköpfe. Männer waren vom Glück begünstigte Dummköpfe."

"Wir Glücklichen" ist in sich sehr stimmig. Charaktere wie Atmosphäre, Grundstimmung und Gedankengänge sind akribisch aufeinander abgestimmt und sorgen damit für einen gewissen Zauber beim Leser. Obwohl es im Roman weiß Gott nicht immer glücklich zugeht und so mancher Schicksalsschlag mit strenger Härte niederschlägt, ist es ein Buch, in dem der Leser sich wohlfühlt. Ich kann die Geschichte der ungleichen Schwestern, ihren noch ungleicheren Freunden, die Geschichte von Liebe, Tragik, Hoffnung und Mut nur weiter empfehlen.

Buchinfo:


336 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag
22,00 €
Originaltitel: Lucky Us
Übersetzung: Kathrin Razum
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