26.08.15

Die Stellung / Meg Wolitzer



Die vier Kinder der Mellows, - Holly, Michael, Claudia, Dashiell -, haben einen recht guten familiären Verbund. Man versteht sich mal mit dem einen besser, mal mit der anderen. In schlechten Zeiten hält man zusammen und so ist es für Michael nur allzu klar, dass er seinen unfassbaren Fund, den von den Eltern herausgebrachten Sexratgeber, der sich so lange schon im Haushalt zwischen all den anderen Büchern - neben einem Öko Diätratgeber - versteckt hält, mit seinen Geschwistern teilt. Die Kinder unterschiedlichen Alters von 8 - 16 Jahren, reagieren mit einer Mischung aus erschrockener Abneigung und Faszination. Als wäre der Name der Eltern als Verfasser dieses Werks, das von Erfahrungen und Berichten lebt, nicht genug der Scham, sind diese unverkennbar - wenn auch als Zeichnungen dargestellt - das Paar, das die verschiedenen Stellungen darstellt, inklusive einer von ihnen selbst erdachten Position, die als das Non-Plus-Ultra beschrieben wird. Ein Fund der das Leben der scheinbar Kinder für immer verändert und erst verarbeitet wird, als es zu einer Neuauflage des Romans kommen soll.

"Tatsächlich war , wenn man es genau betrachtete, das Geräusch der endenden Kindheit eine fürchterliche Sache. Wenn du einer der übernatürlich begabten Menschen warst, die es hören konnten, wusstest du, dass es dem Zerschellen von Glas ähnelte, dem Aufschlag eines Körpers auf den Boden, wobei du mit einer fürsorglichen Mutter oder einem fürsorglichen Vater gerechnet hättest, der den Sturz auffing, jedoch feststellen musstest, dass es nur das harte, heiße Trottoir des Lebens war, das da wartete."

Meg Wolitzer kreiert auf sarkastisch, tragisch komische Weise das Porträt einer Familie, die sich aufgrund des Sexratgebers von anderen Entwicklungen familiärer Bande zu unterscheiden scheint, jedoch sehr flexibel auf diverse Familien umlegen lässt. Meg Wolitzer erzählt von vier Menschen, ihren Eltern, und den Lebenswegen den diese Familienmitglieder einzeln und im Kontext zu den anderen eingehen. Der Leser bekommt einen kurzen Einblick in die Kindheitssituation und trifft die Protagonisten dann im Erwachsenenalter wieder. Der Blick liegt dabei auf Charakterzügen, menschlichen Eigenschaften, die jedem einzelnen zu eigen sind. Manche davon schon immer. Tief in ihnen schlummernd, erst zutage getreten, nachdem sie den Sexratgeber der Eltern gefunden haben. Einige veränderten sich zeitgleich mit dem Fund des Ratgebers, der auf die Mellow Kinder zunächst eine verstörende Wirkung zeigte.

"Holly fror ständig, wie es so viele fünfzehnjährige Mädchen tun. Es war ganz so, als würde die weibliche Haut mit dem Heraufziehen der Pubertät dünner und machte die Mädchen für jeden irrlichternden Gedanken, jede Angst und jedes Verlangen empfänglich, so dass sie sich mit zusätzlichen Schichten bedecken mussten."

Kann man wirklich dieses Buch, das einen so offenen Blick auf die Eltern zeigt, einen Blick, den Kinder eigentlich nicht erleben, für alle weiteren positiven wie negativen Abzweigungen im Lebensweg verantwortlich machen? Oder hat es die bereits brodelnden Vulkane, die nun für Kluften zwischen einzelnen Beteiligten des Familienkonstrukts sorgen, einfach nur verstärkt, aber eben nicht hervorgerufen? Vielleicht hätten die Mellow'schen Nachkommen gemeinsam, miteinander mit dem Erlebten zurecht kommen können, doch auch ihr Umfeld wusste vom Erfolg von Peter und Roz Mellow und ihrem erfüllten Liebesleben, so dass sie während ihrer Kindheit oftmals auf Verständnis und Mitleid trafen, was eine ungestörte Verarbeitung unmöglich machte und auf gewisse Art manipulativ auf sie einwirkte.

"Es war, als erwachten die Mellows als Familie in dieser ersten Schneenacht des Winters in New York noch einmal zum Leben, wie ein alter, aufziehbarer Clown, der über Jahrzehnte reglos dagestanden hatte und in dem sich plötzlich ohne jeden Grund etwas verschob, worauf sich die Mechanik noch einmal in Gang setzte und der Clown die Becken wie in einem kutzen Fieber unerklärlicher Aktivitäten gegeneinanderschlug."

Meg Wolitzer hat interessante Charaktere entworfen. Personen, deren Entwicklungen vom Leser nachempfunden werden können, weil sie realistisch sind und auf Erfahrungen, Erlebnissen und genetisch vorgegebenen Charaktereigenschaften aufgebaut sind. So ist es nur allzu verständlich, dass die Botschaft, die Peter und Roz Mellow über Liebe in die Welt tragen wollten, die sich aber nicht in einen Ratgeber pressen lässt, von jedem ihrer Kinder anders aufgefasst und weitergeführt wird. Jeder Mensch ist anders und jeder verarbeitet Erlebnisse anders. Wer der Kinder sich wie entwickelt hat, ist sehr spannend und soll von mir hier auch nicht weiter ausgeführt werden, denn genau darin liegt der Reiz für den Leser.
Ein tragikomischer Familienroman, der mich sprachlich wie inhaltlich überzeugen konnte.

Buchinfo:


DuMont (August 2014)
368 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
19,99 €
Originaltitel: The Position
Übersetzung: Werner Löcher-Lawrence
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Die Autorin auf Lesereise:


13.9. Literaturhaus Köln
14.9. internationales literaturfestival berlin
15.9. Harbour Front Literaturfestival Hamburg
16.9. Hauptbücherei Wien 
17.9. Kaufleuten Zürich






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